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Anmut und Gnade Tor 22

Dazu möchte ich eine kleine Anekdote erzählen, in der sich beide Aspekte in einer Situation ausgedrückt haben. Als ich vor ein paar Jahren als Schulassistentin arbeitete, hatte ich ab und zu Pausenaufsicht und ich musste die Kinder auf dem Pausenplatz beaufsichtigen. Da ich bei dieser Anstellung in mehreren Schulklassen arbeitete, kannte ich den Grossteil der Schüler/innen. An einem Tag beobachtete ich einen Konflikt zwischen einem Primarschüler und einem Freund von ihm, den ich jedoch nicht kannte. Ich stand daneben und liess die beiden Jungs die verbale Auseinandersetzung selbst austragen. Daraufhin ist der Junge, der mich kannte, frustriert und wütend an mir vorbeigelaufen und hat mich im Vorbeigehen beleidigt. Ich war irritiert, da er sich mir gegenüber noch nie so verhalten hatte. Danach bin ich zu seiner Klassenlehrperson gegangen und habe ihr den Vorfall geschildert. Er kam nach der Pause mit hängenden Schultern angeschlichen. 😊 Dem Schüler teilte ich in Anwesenheit der Klassenlehrperson mit, dass ich eine schriftliche Entschuldigung für die Beleidigung von ihm erwarte. Einen Tag später kam die Lehrperson in der Pause zu mir und erzählte mir, sie hätte die Eltern des Schülers angerufen nach dem Vorfall von gestern und die Eltern wären sehr entsetzt über das Verhalten ihres Sohnes gewesen.

Ihr hätte der Schüler gesagt: «Frau XY sei doch so eine Schöne und er wisse auch nicht, was in ihn gefahren wäre. Er hätte einen Streit mit seinem Freund gehabt und hätte den Konflikt nicht lösen können. Es wäre besser gewesen er hätte um meine Hilfe gebeten, als mich zu beleidigen.»

Den Entschuldigungsbrief mit Zeichnung hat er mir dann persönlich überreicht. 😊

 

Anmut ist für mich ein Zustand von Harmonie, der nach aussen strahlt. Man kann ihn an Gesten und Körperhaltung erkennen, aber auch an der Ausstrahlung, die ein Mensch hat. Die Art wie mich dieser Junge sah, der ja noch nicht in Konzepten von Schön vs. Hässlich denkt, zeigte mir, dass er mich auf eine ganz bestimmte Weise wahrgenommen hatte. Kinder nehmen vor allem die Energie eines Menschen wahr, da sie noch nicht in Konzepten denken.

 

Gnade ist eine Haltung der Grossmütigkeit, über die «Fehler» und Unzulänglichkeiten seiner Mitmenschen hinweg sehen zu können. Konflikte bereinigen zu können, Verzeihen zu können. Andere Menschen nicht zu verurteilen, auch wenn sie grossen Mist fabrizieren. Wir Menschen bringen das Wort Gnade oft in Zusammenhang mit einer göttlichen Instanz, die uns gnädig gestimmt sein soll. Sie soll am Ende unseres Lebens unsere Schuld, die wir möglicherweise auf uns geladen haben, vergeben oder uns zumindest eine Gelegenheit schenken, um diese wieder zu bereinigen.


ree

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